Angerer der Ältere ist Architekt, Kunstmaler und Bildhauer sowie Preisträger mehrerer Architekturwettbewerbe. Seine Werke wurden auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Er war für die künstlerische Ausstattung des Films „Die unendliche Geschichte II“ (Michael Ende) zuständig und erhielt dafür den Bayerischen Filmpreis. Für das Theaterstück „Der kleine Hobbit“ von J.R.R. Tolkien, Uraufführung in Hamburg im Februar 1994, gestaltete er das Bühnenbild und die Kostüme. Zudem ist er Illustrator verschiedener Bücher, u.a. gestaltete er die Titelbilder einiger Romane von Wolfgang Hohlbein. Er gehört zu den Hauptvertretern des „Phantastischen Realismus“.
Viele Ihre Bilder sind wie gemalte Traumvisionen. Was sind Ihre Inspirationen?
Wenn ich das nur selber wüßte. So wie Sie selbst den Begriff „Traumvisionen“ ins Spiel bringen, ist es auch die Findung meiner Ideen: „Ich träume sie!“ Ich suche nicht nach Ideen, die Ideen suchen mich nachts im Schlaf heim. Mal sind es schöne befreiende Träume, aber oft sind es auch quälerische Alpträume. Die Bibel sagt: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Dafür danke ich Gott.
Ihre Bilder vermitteln den Eindruck von faszinierender transparenter Tiefe. Wie erreichen Sie das?
Die Technik meiner Bilder ist altmeisterlich, deshalb auch die Referenz „der Ältere“. Zuweilen haben meine Bilder bis zu 15 Lasuren. Wenn auch die transparenten Lasurschichten nur schwer meßbar wären, so ist die Brechung des Lichts die Ursache der Bildtiefe. Der Blick fällt also nicht nur auf eine gemalte Fläche – das bildet Raum.
Sie sind ja schon seit Jahrzehnten aktiv. Hat sich ihre Technik in der Zeit verändert?
Seit 20 Jahren male ich mit Acryl-Farben. Ständig habe ich dazu gelernt, es wäre ein eigenes Lehrbuch.
Manche junge Künstler setzen vermehrt digitale Bildverarbeitung ein. Wie sehen Sie die Möglichkeiten der neuen Techniken?
Ich habe für die digitale Bildkreation ein eigenes Bildgerüst, mit dem ich gerade spiele, entwickelt. Das Ergebnis wird in Kürze sichtbar sein. Letzten Endes bin ich aber ein Anhänger der „Idea Kunst“ und der körperlichen Handwerklichkeit. Sie ist sinnlicher – ganz einfach menschlicher.
Sie sind Illustrator verschiedener Bücher, u.a. Titelbilder einiger Romane von Wolfgang Hohlbein. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Autoren?
Jetzt kenne ich Wolfgang Hohlbein persönlich, denn er ist wie auch ich, Gründungsmitglied für das „Zentrum für phantastische Kunst“. Aber im allgemeinen läuft dies ziemlich kalt und geschäftsmäßig in Verhandlungen mit den Verlagen ab. Dabei lerne ich den Autor selten kennen.
Haben Sie selbst noch Zeit zum Lesen Phantastischer Literatur?
Ich lese jeden Tag. Vor allem arabische Märchen und anspruchsvolle phantastische Literatur interessieren mich.
1996 haben Sie das Zentrum für Phantastische Künstler mitbegründet. Können Sie ein bisschen mehr dazu sagen?
Die Idee, einen Zusammenschluß aller Künste – also Literatur, die Bildenden Künste, Musik und jeder Art von künstlerischer Kreativität zu schaffen – stammt von Michael Ende. Bereits vor 20 Jahren hatten wir deswegen schon ein Treffen in München. Michael Ende, Herbert Rosendorfer und der jetzige Vorstand von „Labyrinthe“ Roman Hocke (der Sohn des berühmten Gustav René Hocke, der meinen ersten Kunstband „Phantastik der Sehnsucht“ geschrieben hat) und andere, soweit ich mich erinnere. In letzter Zeit gibt es neue Verbindungen nach Österreich, in die Schweiz und nach Frankreich. So auch durch die Biennale der Phantastischen Kunst in St.Germain-en-Laye im Frühjahr diesen Jahres, zu der ich mit 5 Gemälden unter weltweit 60 geladenen Künstlern dabei war.
Lange Zeit haben Sie als freier Architekt gearbeitet. Hat der moderne Rationalismus der Architektur noch Platz für Kreativität? Ist eine fantasievolle abwechslungsreiche Architektur eine Frage des Geldes? Oder liegt es an schwindener Kreativität oder fehlendem Mut?
Mit 35 Jahren, nachdem ich bei Alexander von Branca (Münchner Neue Pinakothek) als Entwurfsarchitekt viele Wettbewerbe vor allem in selbstständiger Arbeit gewonnen hatte, stand ich am Scheideweg. So wurde mein Schwerpunkt die künstlerische Arbeit, während ich als Architekt nur gestalterische anspruchsvolle Aufträge ausführte. Ich habe so keine Bausünden begangen wie so viele meiner bedauernswerten Kollegen, die aus existentiellen Gründen ständig Häßlichkeiten in die Welt stellen müssen. So sind alle meine Projekte experimenteller Architektur nicht ausgeführt. In einer Zeit mangelnder Kreativität, ich habe dies in meinem kulturkritischen Buch „Kulturpause“ Streitschrift gegen den Zeitgeist, Nymphenburger Verlag 1994 geschrieben, sind nur dann und wann Solitärleistungen möglich. Heutiger Städtebau hingegen erinnert eher an Krebsgeschwüre, formlose Wucherungen ohne Mittelpunkt, angetrieben einzig allein von der exzentrischen Macht des Geldes. Das war in allen sterbenden Kulturen so: bei schwindender Gottesakzeptanz und verminderter Vitalität gewinnen die rein materiellen Kräfte die Oberhand. Was kündigte uns Novalis an: „Auf den verlassenen Altären der Götter hausen Gespenster.“
Ihr neuestes Werk ist eine fantastische Erzählung: „Ein verlorener Traum“. Was ist an diesem Buch so besonders?
Viele meiner Bilder enthalten märchenhaftes Geschehen. So habe ich als Maler jahrzehntelang viele Märchen erzählend gemalt. Das jetzt entstandene Märchen „Ein verlorener Traum“ ist die Summe von Bildern die als Fundus vorhanden waren. Deshalb handelt es sich in diesem Buch um keine Buch-Illustrationen, sondern um eigenständige suggestive Bild-Eindrücke, die der Protagonist des Märchens erlebt. Es sind Erlebnisse mit phantastischem surrealen Hintergrund, die auch einen zeitkritischen Aspekt, angeregt von Kafka und Orwell, ansprechen. Liebe und vergessene Tugenden wie selbstloser Mut und Treue spielen in diesem Buch eine wesentliche Rolle.
Warp-online 2002